Münster-Text von Alfred Kerr aus dem Jahr 1920,
gefunden während der Coronazeit in Bitzhenners Buchladen

Bleibe im Land und nähre Dich redlich..
 
denn in Münster ist es auch ganz schön, wie der folgende Artikel von Alfred Kerr aus den 1920er Jahren wunderschön beschreibt (auch wenn sich da sehr viel geändert hat, ich weiß).

Noch heisst es ja ZUHAUSEBLEIBEN – da fiel mir bei der Auflösung des Medium Buchmarktes ein ganz alter Text in die Hände von Albert Kerr, der uns in seiner Wertschätzung für unsere schöne Heimatstadt klarmacht, daß das Heimbleiben für uns nicht ganz so schlimm ist, wie beispielsweise für die armen Bewohner von Essen oder Osnabrück, die in seinem Buch nicht so gut wegkamen.
 
Albert Kerr war ein berühmter Journalist der Weimarer Republik, Sohn eines jüdischen Weinhändlers und späterer Zwangsemigrant (seine Tochter Judith beschrieb diese Zeit in ihrem Buch „als Hitler das rosa Kaninchen stahl“)
 
Ernst-gedämpftes Münster
 
I.
Münster hat etwas herrlich Gedämpftes. Ein alter, stiller, zurückhaltend-guter Ort. Der Ton fast lautlos – und freundlich-menschlich.
Wohl die feinste deutsche Stadt. Ich finde (jenseits von allem Glaubensinhalt): unter dem Krummstab ist gut leben!
 
II.
Hinter dem Münster, in Münster sind alte Giebelhäuschen – an diesen erfahrenen Giebelchen ist kein Schnickschnack. In geruhsamer Freundlichkeit liegen, hocken, hängen sie … seit wann? Die Kathedralen starren träumend im nachdenklichen grünschweren Baumgeästs.
 
Es gibt auch Kirchen hier, die oben (dem Schicksal sei Dank), die breit, viereckig getürmt sind; wie ich sie liebe, nicht spitz, daß man beim Sehen Schüttelfrost kriegt.
 
III.
Zwischendurch wandeln gutgezügelte, schweigend-ernste, nicht unfreundliche Menschen – von denen man sich wundert, daß sie nicht vlamisch reden.
Selbst die Kinder sind hier nicht grell in ihren Rufen. Die mannbaren Mädchen haben weder Freches noch Scheinheiliges – sondern geben freundlich-ernst und ruhig und angelegentlich Auskunft. Es kommt gewiss nie ein Ärgernis vor in dieser … nicht frommen, sondern stillen und innerlich feierlichen Stadt. Tage voll gefriedeten Einklang´s kann man hier verleben – und hab´ ich hier verlebt.

 
Und später:
 
Ich geh´ sachte nach Hause. In meine sachte Straße. Durch andere sachte Straßen. Über sachte Wallgänge mit alt milden Bäumen.
 
Freundlich-ernstes, gedämpftes Münster… nimm von mir einen sachten und freundlichen Dank.
 
 
Man kann noch viel wiedererkennen in dieser poetischen Beschreibung (wobei ich nicht die Mädchen meine ..)

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