Fragen über Fragen zum Thema Kaviar

Wie wird der fast ausgerottete Stör – der Lieferant für Kaviar – eigentlich gezüchtet, nachdem der Wildfang seit 2010 verboten ist? Wie schmecken die Fischeier, wenn sie nicht mehr aus dem kaspischen Meer kommen? Sind alle Sorten ähnlich?

Eine der qualitativ besten Farmen ist Prunier im Perigord. Prunier war bis zu seinem Tod im Besitz von Pierre Vital Georges Bergé, dem Lebensgefährten von Yves Saint Laurent und arbeitet nach wie vor nach ganz hohen, selbstgesetzten Standards. Hier wird man unsere Fragen beantworten.

Am ersten regnerischen Herbsttag, geht es mit einem überaus stürmischen Flug von Düsseldorf via Amsterdam nach Bordeaux und dann mit dem Auto ca 1 Stunde weiter ins Landesinnere. Zunächst fahren wir durch das Entre–Deux–Mer, bestaunen die schönen Chateaus und sehen uns satt an den herbstlichen Farben der sanften Hügel. Dann geht es weiter Richtung Osten, ins Perigord mit seinen zahlreichen Flüssen und tiefen Wäldern. Als wir gerade glauben, das Ende der Zivilisation erreicht zu haben, taucht vor uns ein kleines Landhaus auf. Verwitterte Steintreppen, blau-graue Fensterläden, kugelrund geschnittene Buchsbäume, in der Ferne plätschert der Fluss Isle, ein Nebenfluss der Dordogne. Warmes Licht fällt aus den Fenstern und Rauch steigt aus dem Kamin. Genauso sieht unsere romantische Vorstellung vom ländlichen Frankreich aus – wir sind endlich angekommen. Direkt hinter dem Haus erahnen wir einige Fischteiche, die uns an die Situation bei unserem regionalen Forellenzüchter im Teutoburger Wald erinnern. Ob wir dafür bis ins Perigord hätten fahren müssen?

Zahlreiche offene Becken liegen, von Bäumen umgeben, nebeneinander und werden von frischem Flusswasser des Isle gespeist, so wachsen die Fische im Tages- und Jahreszeitenrhythmus heran und werden wie in freier Wildbahn erst nach ca 8 Jahren geschlechtsreif.  „Geerntet“ so lernen wird, wird nur zweimal im Jahr. Bei den acht bis zwölf Kilogramm, die ein trächtiges Weibchen des Sibirischen Störs in der Aquakultur auf die Waage bringt, sind das zwischen 800 und 1200 Gramm Ei-Ausbeute. Das Ehepaar Faubergé, das gemeinsam verantwortlich für alle Schritte der Produktion ist, prüft per Ultraschall und einer Biopsie, ob reife Eier vorhanden sind. Bevor der Rogen entnommen wird, werden die Störe allerdings noch 14 Tage auf Diät gesetzt, so reinigen sie sich quasi selbst, das ist gut für den Geschmack der Rogen und für den des Fleisches. Das Fleisch wird in Frankreich übrigens sehr hoch geschätzt und als Filet und als Konserve an Restaurants und den Handel verkauft. Unglaublich, dass die Störe tatsächlich einzeln, per Hand aus dem Wasser geholt werden um sie möglichst wenig zu stressen. Die Kolosse sind nahezu zahm, wenn sie im Wasser sind, allerdings kehrt sich das ins Gegenteil, sobald man sie aus ihrem Element holen möchte – dazu braucht man vor allem Muckis und Regenklamotten. Das ist dann doch was anderes als im Teutoburger Wald! Natürlich geht es nicht nur darum, die Aussenanlagen zu begutachten. Nein, es soll auch ums Eingemachte gehen!

Also ziehen wir uns Schutzkleidung an und wagen uns in das Herzstück der Kaviarproduktion. Der eigentliche Herstellungsvorgang ist kurz und übersichtlich: Der Rogen des geschlachteten Tieres wird mit der Hand entnommen, genau gewogen, die Größe der Eier wird gemessen und der Kaviar somit bereits klassifiziert. Dies ist das Hoheitsgebiet von Madame Faubergé – in einer Windeseile entscheidet sie zu welchem Kaviar die Fischrogen weiter verarbeitet werden. Wir können nur staunen – sehen die Eier für uns doch alle nahezu gleich aus. An dieser Stelle fragen wir auch, ob sie selbst gern Kaviar isst. Das Strahlen und die begeisterten Ausführungen (die auf Stakkato-französisch und somit für uns nicht 100%ig verständlich ausfallen) sind Antwort genug: Sie liebt Kaviar! Wahrscheinlich haben wir damit das Geheimnis dieser erstklassigen Kaviarproduktion gefunden.

Aber zurück zur Herstellung: da sich nicht alle Störarten zur Zucht eignen, werden aus Stören der gleichen Gattung (meist Baerii) verschiedene Kaviartypen hergestellt – die Farbe des Rogens, die Korngrösse und die Konsistenz sind von Fisch zu Fisch unterschiedlich. Durch die unterschiedliche Salzung und Reifung macht Madame Maître daraus Kaviarsorten unterschiedlichen Stils und Geschmacks. Zunächst werden die Rogen dafür mit der Hand durch ein Lochsieb aus Edelstahl gerieben und dabei von der schützend umhüllenden Membran getrennt. Erstaunlich wie stabil die kleinen Fischeier sind – die Prozedur macht Ihnen überraschenderweise gar nichts aus. Nach gründlicher Wässerung wird den Rogen zwischen 3 und 4 Prozent Steinsalz beigegeben. Während die Rogen vor der Beigabe von Salz noch überhaupt nicht nach Kaviar, sondern eher wie rohe Kartoffel schmecken, erkennt man nach der Salzung sofort den typischen Kaviargeschmack. Die Körner werden dadurch außerdem fester, knackiger und sind dunkler als unmittelbar nach der Entnahme. Nachdem das Salz untergezogen wurde, wird der Kaviar in Dosen abgefüllt und einmal wöchentlich im Kühlraum gewendet, bis die unterschiedlichen Sorten ihr jeweiliges, unverwechselbares Aroma erreicht haben.

Nun wartet das Highlight auf uns: es gibt nicht weniger als 7 Sorten Kaviar, die professionell verkostet werden wollen. Vom ganz jungen Paris, der nicht gereift wird, also ganz jung und nur zur Erntezeit in den Verkauf kommt und deshalb völlig anders schmeckt als üblicher Kaviar – leicht dottrig, mild und sehr pur! Über den Klassiker Tradition, cremig & nussig, der dem Sevruga Kaviar sehr nahe kommt, bis hin zum kräftigen Malossol und St. James. Letzterer ist unser persönlicher Favorit: Ein Kaviar, den es bereits seit 1932 gibt. Er reift 2 Monate, bevor er in den Verkauf kommt, ist unglaublich cremig, vollmundig und hat einen wahnsinnig langen Abgang.

Glücklich fahren wir am Abend zurück Richtung Bordeaux: es ist einfach schön, Produzenten zu treffen, die Ihren Job mit so viel Leidenschaft und Hingabe machen. Die Wertschätzung, die sie selbst der Natur und ihren Fischen entgegenbringen, ist die Grundlage für ein ganz besonderes Produkt!

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